Milzbrand der Haut A22.0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 15.06.2022

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Synonym(e)

Anthrax der Haut; Furunculus maligna; Hautmilzbrand; Milzbrand; Pustula maligna

Erstbeschreiber

Koch, 1876

Definition

Weltweit verbreitete, beim Menschen sehr selten auftretende, meldepflichtige Zoonose mit Bacillus anthracis. Die Erkrankung Milzbrand manifestiert sich im Wesentlichen in 4 Formen:

  • Hautmilzbrand (Inkubationszeit Stunden bis Tage nach kutaner Inokulation der Keime)
  • Lungenmilzbrand (Inkubationszeit 4-6 Tage nach Inhalation der Keime)
  • Magen-Darmmilzbrand (Inkubationszeit 1-3 Tage nach oraler Aufnahme der Keime)
  • Injektionsmilzbrand (Inkubationszeit 1-3 Tage nach Injektion des keimhaltigen Materials)

Erreger

Bacillus anthracis (großes grampositives Stäbchen; Breite: 1-2 μm; Länge: 3-10 μm; Toxinbildner).

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweit verbreitet, insbes. in Viehzuchtgegenden (Wiederkäuer). Sehr selten in industrialisierten Ländern; bevorzugt in wärmeren Klimazonen u.a. in Südosteuropa, Südamerika, Afrika, Südost-Asien.

Ätiopathogenese

Infektion durch Kontakt mit Sporen des Erregers Bacillus anthracis aus kontaminierten tierischen Materialien (Organe, Fell, Wolle, Düngung mit Knochenmehl). Die Sporen sind äußerst widerstandsfähig und können jahrelang in tierischen Produkten bzw. im tierischen Umfeld (Weiden, Ställe, Futter) überleben. Nach Inokulation der Sporen (Hautverletzung, Einatmen oder Verzehr) beginnt das Wachstum des Erregers und  Bildung einer Proteinkapsel die es vor phagozytose schützt. Ferner produziert es verschiedene Exotoxine (Letaltoxin, Ödemtoxin).

Manifestation

Meist berufsbedingte Infektion u.a. bei Landarbeitern, Metzgern, Lederarbeitern, Kürschnern.

Meist kutane Manifestation (95%), seltener Lungenmilzbrand nach inhalativer Inokulation (5%) oder Darmmilzbrand nach oraler Aufnahme von Sporen (< 1%).

Klinisches Bild

Inkubationszeit: Stunden bis zu 6 Tage. 

Hautmilzbrand: Erregereintritt erfolgt in die Haut durch eine kleine Läsion. An der Inokulationsstelle Entwicklung eines wenig auffälligen roten Flecks: zunehmende Infiltration mit dann rascher Bildung eines entzündlichen Knötchens oder einer Pustel (Pustula maligna).

Schnelles Wachstum mit hämorrhagischer Blasenbildung. Ausbildung einer schwärzlichen Nekrose mit erheblicher kollateraler Schwellung, hochentzündlichem gelatinösem Infiltrat und Satellitenbläschen. Dieser klinische Befund wird auch als "Milzbrandkarbunkel" bezeichnet.

Wichtig: im Gegensatz zu einem durch Staphlokokken hervorgerufenen Furunkel ist der Milzbrandkarbunkel meist nicht oder nur wenig schmerzhaft! (Hinweis: die fehlende Schmerzhaftigkeit unterscheidet den Milzbrandkarbunkel von einem staphlogenen Abszess!). Charakteristisch sind frühzeitig auftretende milde regionäre Lymphangitis und Lymphadenitis, jedoch auch Mattigkeit, Unwohlsein, Kopfschmerzen mit unterschiedlich hohen auch auch hochfebrilen Temperaturen. Gefahr der Sepsis. Nach 7-10 Tagen kmmt es zur Rückbildung der Symptome. Die vollständige Abheilung des Milzbrandkarbunkels kann Wochen dauern. In seltenen Fällen: Sekundärinfektionen.  

Lungenmilzbrand (Anthrax-Pneumonie): nach Einamtung sporenhaltiger Stäube, innerhalb weniger Tage Entwicklung einer schweren Bronchopneumonie mit hohem Fieber. Unbehandelt nach 2-3 Tage Sepsis mit Todesfolge.

Darmilzbrand (sehr selten): nach Verzehr von infiziertem Fleich  

Injektionsmilzbrand (zunehmend häufiger): schwere Weichteilinfektion die bei injizierenden Drogenkonsumenten auftrten kann. 

 

Diagnose

Entscheidend ist bei entsprechender Klinik eine mögliche Exposition in der Anamnese.

Nachweis des Erregers im Abstrichpräparat der Hautläsion ( Gramfärbung) oder in kulturell in Speziallabors (Hautläsion, Sputum, Stuhl, Blut). Ggf. 16S rRNA- PCR und Gensequenzierung.

Cave! Aufgrund der Gefahr der Generalisierung sollten chirurgische Manipulationen (Biopsien) bei V.a. Milzbrandkarbunkel unterbleiben.

Komplikation(en)

Milzbrandsepsis mit Befall von ZNS und Lungen; möglicher letaler Ausgang.

Therapie allgemein

Isolation des Patienten.

Externe Therapie

Trocken, z.B. mit Zinkpuder.

Interne Therapie

Frühzeitiger Einsatz von Penicillin G in mittlerer Dosierung (2-4 Mio. IE/Tag i.v.) um Dissemination der Erreger zu verhindern. In schweren Fällen bzw. bei Generalisation Kurzinfusion mit Penicillin G 2-4mal/Tag 10 Mio. IE, danach Herabsetzen der Dosis auf 2 Mio. IE/Tag über 14 Tage.

Alternativ: Ciprofloxacin (z.B. Ciprobay) 2mal/Tag 400 mg i.v. oder Tetracyclin (z.B. Achromycin) 3-4mal/Tag 0,5-1,0 g p.o. oder Erythromycin (z.B. Erythrocin) 3-4mal/Tag 250-500 mg i.v. oder p.o.

Hinweis(e)

Mißbräuchlicher Einsatz als biologische Terroristen-Waffe in den USA (s.a. unter Anthrax-Pneumonie)

Literatur
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