Pruritus aquagener L29.8

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 12.04.2019

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Synonym(e)

Aquagener Juckreiz; Aquagener Pruritus; Aquagenic pruritus; Bath-time itch

Erstbeschreiber

Shelley, 1970

Definition

Intensiver, lokalisierter oder auch generalisierter Juckreiz (manchmal wird auch Brennen, Stechen oder Schmerzen = Aquadynie angegeben), der unmittelbar (etwa bei 1/3 der Pat.) oder nach einer Latenzzeit von 2-15 min.(etwa 2/3 der Pat.) nach Wasserkontakt eintritt, und nach ca. einer Stunde wieder abklingt. Die Entität wird teilweise als Sonderform der aquagenen Urtikaria angesehen.

Vorkommen/Epidemiologie

Prävalenz und Inzidenz sind unbekannt. Familiäre Häufung kommt vor.

Ätiopathogenese

Unbekannt; postuliert wird eine "Wasser-induzierte" Aktivierung von Mastzellen. Das Symptom wird häufig als begleitendes oder prämonitorisches Symptom bei Systemerkrankungen beschrieben.

Die häufigste Assoziation liegt bei einer Polycythämia vera, die mit 40-50% angegeben wird. In diesen Fällen tritt hochassoziiert eine Mutation in dem Enzym Januskinase 2 (JAK2) auf. Die Mutation führt zu ineiner Vermehrung von CD63+ eosinophilen und basophilen Granulozyten, die konstitutiv aktiviert werden und in der Haut die Degranulation von Mastzellen induzieren.  

 

 

Manifestation

Mittleres bis jugendliches Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Die Dauer der Erkrankung liegt zwischen wenigen Monaten und 20 Jahren.

Lokalisation

Bevorzugt an Gesäß und Oberschenkeln (genau beschränkt auf die Kontaktstellen mit Wasser); Kopf, Hände und Füße sind ausgenommen.

Klinisches Bild

Starke, teils als brennender oder stechender Juckreiz beschriebene Symptomatik ohne sichtbare Hautveränderungen, unabhängig von der Temperatur des Wassers nach Wasserkontakt regelmäßig auftretend. Bei etwa 30% der Patienten können myeloproliferative Erkrankungen nachgewiesen werden. Nicht selten findet sich zusätzlich noch eine Lactose-Intoleranz. Weitere assoziierte Erkrankungen sind: essentielle Thrombozythämie, Hämochromatose, infektiöse Erkrankungen wie Hepatits C; Neoplasien wie z.B. Uteruskarzinom, akute lymphatische Leukämie, T-Zell-Lymphome, Hypereosinophiles Syndrom, Medikamente (Antimalariamittel, Bupropion).

Therapie

  • Möglich ist ein Versuch zur Toleranzentwicklung durch regelmäßige, sich steigernde Kontaktzeiten mit Wasser.
  • Die besten Erfolge werden durch eine PUVA-Bad-Therapie erzielt. Alternativ: UVB-Bestrahlungen, auch 311 nm-Schmalspektrum-UV-Therapie.
  • Lokale Applikation einer 5% Polidocanol-Creme (1-2mal/Tag) oder von Capsaicin 0,01-1% als Creme, Schüttelmixtur oder Gel.
S.u. Urtikaria, aquagene.

Interne Therapie

Etwa 30% der Patienten reagiert positiv auf nicht sedierende Antihistaminika wie Desloratadin (Aerius) 1-2x2 Tbl.l/Tag p.o. oder Levocetirizin (Xusal) 1-2x2 Tbl.l/Tag p.o. Gute und belastbar positive Effekte lassen sich mit einer UV-Therapie erzielen (UVB und PUVA). Weitere Therapieoptionen sind Antikonvulsiva (z.B. Pregabalin, Naltrexon, Paroxetin).

Die besten Effekte lassen sich nach Versagen der Antihistaminika -Therapie mit Pregabalin (® 50-100 mg) erzielen.

Bei Aquadynie ist Ibuprofen 30 min. vor Wasserkontakt zu empfehlen.  

Literatur
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