Pertussis A37.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Co-Autoren: Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Julian Baur

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Zuletzt aktualisiert am: 26.10.2022

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Synonym(e)

Keuchhusten

Definition

Akute bakterielle Infektionskrankheit bei Kindern mit bellendem, anfallweisem Husten und ggf. anschließendem Erbrechen ausgelöst v.a. durch Bordetella pertussis. Bordetella pertussis ist weltweit vertreten. Seltener können Infektionen mit B. parapertussis oder B. holmesii ebenfalls zu einem Keuchhusten­ähnlichen Krankheitsbild führen, das aber meist leichter und kürzer als bei einer Infektion durch B. pertussis verläuft. In den Jahren 2015-2018 wurden 3-4% der übermittelten Keuchhusten-Erkrankungen durch B. parapertussis verursacht; 2019 stieg dieser Anteil auf 9% (Angaben des RKI).

 

Erreger

Bordetella pertussis ist ein kleines gramnegatives, unbewegliches, bekapseltes, kokkoides, aerobes Stäbchen. Es bildet eine Vielzahl von Toxinen und Virulenzfaktoren. Auf der Oberfläche des Bakteriums befinden sich äußere Membran­proteine, Fimbrien sowie Lipopolysaccharide.

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Vorkommen/Epidemiologie

Pertussis kommt ganzjährig vor, die Inzidenz ist im Herbst und Winter etwas höher als im Rest des Jahres. Ähnlich wie in anderen westlichen Ländern werden in Deutschland trotz hoher Impfquoten bei jüngeren Kindern – im Jahr 2018 lag die Impfquote der Schulanfänger bei ca. 93% – weiterhin zyklische Anstiege von Pertussis im Abstand von 4 bis 6 Jahren beobachtet. Seit Einführung der bundesweiten Keuchhusten-Meldepflicht im Jahr 2013 wurden dem RKI bundesweit zwischen 11 und 20 Erkrankungen (Erkr.) pro 100.000 Einwohner (Einw.) jährlich nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) übermittelt. Säuglinge sind mit Inzidenzen von über 100 Erkr./100.000 Einw. in epidemischen Jahren am stärksten betroffen und benötigen häufig eine Krankenhausbehandlung. Deshalb hat die STIKO 2020 eine Pertussisimpfung für Frauen während der Schwangerschaft empfohlen (s.u.).

Bedingt durch ein schnelles Nachlassen des Immunschutzes nach der Impfung treten auch bei älteren Kindern und Jugendlichen Keuchhusten-Erkrankungen auf.

Auch wenn die Inzidenz bei Erwachsenen niedriger liegt, treten inzwischen rund 60% aller Erkrankungen bei Personen ≥ 18 Jahre auf. Dazu trägt eine unzureichende Umsetzung der empfohlenen Auffrischimpfungen insb. bei Jugendlichen und Erwachsenen bei.

Ätiopathogenese

Tröpfcheninfektion mit Bordetella pertussis.

Klinisches Bild

Das klinische Bild verläuft bei Ersterkrankung klassischerweise in 3 Stadien ab:

I. Stadium catarrhale: Es dominieren Symptome eines unspezifischen Infektes der oberen Atemwege (Schnupfen, leichter Husten), Fieber spricht allerdings eher gegen die Diagnose. Dauer ca. 1-2 Wochen.

II. Stadium convulsivum: Anfallsartige Hustenstöße (sog. Stakkatohusten) dominieren das klinische Bild, gefolgt von einem inspiratorischen Keuchen bzw. Juchzen. Häufig wird auch im Zusammenhang mit den Hustenattacken ein Hervorwürgen von zähem Schleim und/oder Erbrechen beobachtet. Auch in diesem Stadium ist Fieber untypisch und weist gegebenenfalls auf eine bakterielle Sekundärinfektion hin. Dauer 4-6 Wochen.

III. Stadium decrementi: Allmähliches Abklingen der oben genannten Beschwerden. Dauer 6-10 Wochen.

An Hauterscheinungen sieht man ein traumatisches Schleimhautgeschwür am Zungenbändchen und Hämorrhagien. Außerdem: Subkonjunktivale Petechien, Nasen- und Zahnfleischblutungen, evtl. eine nekrotisierende, leukozytoklastische Vaskulitis.

Diagnose

Da die Symptomatik besonders bei erwachsenen Patientin häufig nicht typisch ist, ist für die Diagnosestellung die Labordiagnostik entscheidend. Diese sollte durchgeführt werden, wenn ...

  1. typische Symptome vorliegen (Hustenattacken, nachfolgend inspiratorischer Stridor oder Erbrechen) oder
  2. Kontakt zu einem bestätigten Keuchhustenfall stattgefunden hat oder
  3. Husten länger als 14 Tage persistiert.

Innerhalb der ersten 2-3 Wochen nach Symptombeginn ist die Serologie nicht aussagekräftig. 

In diesem Stadium eignet sich ein tiefer Nasopharyngealabstrich mit direktem Erregernachweis mittels Kultur oder PCR.

Nach etwa 3 Wochen können serologisch IgG-Antikörper gegen Bordetella pertussis (PT-IgG-Antikörper) mittels ELISA nachgewiesen werden, wobei bei nicht diagnostischen Titern (Graubereich) eine Bestätigung durch Nachweis spezifischer IgA-Antikörper durchgeführt werden kann. IgM-Antikörper gegen Bordetella pertussis sind nicht aussagekräftig.

Referenzwerte für PT-IgG-Antikörper:

  • PT-IgG ≥ 100 IU/ml: Anhalt für kürzlich stattgefundenen Erregerkontakt
  • PT-IgG ≥ 40 und <100 IU/ml: Graubereich
  • PT-IgG < 40 IU/ml: kein Anhalt für kürzlich stattgefundenen Erregerkontakt

Komplikation(en)

Die häufigste Komplikation ist eine Pneumonie, meist durch Superinfektionen mit anderen bakteriellen Erregern, insbesondere Pneumokokken oder nicht bekapselten Haemophilus influenzae, verursacht. Bis zu 10% der erkrankten Säuglinge und älteren Menschen sind von Pneumonien betroffen, bei älteren Kindern und jüngeren Erwachsenen kommt dies seltener vor (Hof H et al.2019). Weitere Komplikationen: Otitiden, Sinusitiden, Inkontinenz, Hernien, Rippenfrakturen sowie subkonjunktivale Blutungen (De Serres G et al.2000;  Heininger U et al.1997).

Als seltene neurologische Komplikationen können zerebrale Krampfanfälle und Enzephalopathien auftreten.

Die Todesursache bei Säuglingen ist häufig eine Hyper­leukozytose mit bis zu 100.000/mm3, durch die es zu einer schweren Hypoxämie und pulmonalen Hypertension kommt (Liese JG et al. 2013).

Therapie

Eine antibiotische Therapie kann grundsätzlich nur dann die Dauer und Heftigkeit der Hustenattacken beeinflussen, wenn sie möglichst früh (d.h. vor dem Beginn oder in den ersten 1-2 Wochen ab Beginn des Hustens) verabreicht wird. Sie kann jedoch für die Unterbrechung der Infektionsketten von Bedeutung sein. Somit ist der Einsatz von Antibiotika nur sinnvoll, solange der Patient Bordetellen ausscheidet (positiver Erreger­nachweis im Nasopharyngealsekret mittels Kultur oder PCR, bzw. in der Regel vom Ende der Inkubations­zeit im Stadium catarrhale bis zu drei Wochen (bei Säuglingen auch bis zu 6 Wochen) nach Beginn des Stadiums convulsivum).

Bewährt hat sich Erythromycin. Die Makrolide Azithromycin und Clarithromycin sind jedoch ebenso wirksam (Herzig P et al. (1998) und wegen ihrer besseren Verträglichkeit und einfacheren Anwendung heute Mittel der Wahl. Makrolid-Resistenzen wurden bislang nur sehr selten beobachtet. Als Alternative zu den Makroliden kann Cotrimoxazol verwendet werden.

Oral-Penicilline und Cephalosporine sind zur Eradizierung von B. pertussis im Nasen­rachenraum nicht geeignet.

Prophylaxe

Aus heutiger Sicht ist eine Eradikation von Pertussis nicht möglich. Wegen der begrenzten Dauer der Immunität sowohl nach natürlicher Erkrankung als auch nach vollständiger Impfung kann sich jede Person mehrmals im Leben neu infizieren und erkranken. Ziele der gegenwärtigen Impfstrategie in Deutschland sind daher ein möglichst frühzeitiger und vollständiger Impfschutz für die durch B. pertussis besonders gefährdeten Säuglinge und Kleinkinder (Grundimmu­nisierung). Darüber hinaus ist die Auffrischung der Immunität sowohl im Vorschul- und Jugendalter als auch bei Erwachsenen notwendig, um die klinische Wirksamkeit des Impfschutzes aufrecht zu erhalten und die Übertragung auf ungeimpfte und nicht-immune Personen zu minimieren.

Hinweis: Gesetzliche Grundlage (Meldepflicht gemäß IfSG): Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Keuchhusten sowie gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Bordetella pertussis und Bordetella parapertussis, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.

Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.

Literatur
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  1. AG Pertussis der Ständigen Impfkommission (STIKO 2020) : Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung der Pertussisimpfung mit einem Tdap-Kombinationsimpfstoff in der Schwangerschaft. Epid Bull 2020;14:3-34
  2. De Serres G et al.(2000) Morbidity of pertussis in adolescents and adults. J Infect Dis  182:174-179
  3. European Centre for Disease Prevention and Control. Guidance and Protocol for the serological diagnosis of human infection with Bordetella pertussis. Stockholm2012
  4. Guiso N et al. (2011) What to do and what not to do in serological diagnosis of pertussis: recommendations from EU reference laboratories. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 30:307-312
  5. Heymann DL (2015) . Control of communicable diseases manual. 20 ed. Washington, D.C.: American Public Health Association
  6. Heininger U et al.(1997) Clinical Findings in Bordetella pertussis Infections: Results of a Prospective Multicenter Surveillance Study. Pediatrics 100:e10
  7. Herzig P et al. (1998) Pertussis complications in Germany - 3 years of hospital-based surveillance during the introduction of acellular vaccines. Infection 26:227-231
  8. Kadlec K et al.(2018) Antimicrobial Resistance in Bordetella bronchiseptica. Microbiol Spectr 6(4).
  9. Lebel MH et al. (2001) Efficacy and safety of clarithromycin versus erythromycin for the treatment of pertussis: a prospective, randomized, single blind trial. Pediatr Infect Dis J 20:1149-1154
  10. Liese JG et al. (2013) Pertussis. In: DGPI, ed. DGPI Handbuch Infektionen  bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart-New York: Georg Thieme Verlag S 434-439
  11. Radcliffe C et al. (2020) Bordetella bronchiseptica: a rare cause of meningitis. BMC Infect Dis 20:922.
  12. RKI(2021) Ratgeber Pertussis. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Pertussis.html
  13. Srinivasan R et al.(2005) Are newer macrolides effective in eradicating carriage of pertussis? Arch Dis Child  90:322-324
  14. Woods P et al. (2020) Bordetella bronchiseptica Pneumonia in an Adolescent: Case Report and Review of the Pediatric Literature. Clin Pediatr (Phila) 59:322-328

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