Kollagenose reaktive perforierende L87.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Christina Rohdenburg

Co-Autor: Dr. med. Christian Schuster

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Zuletzt aktualisiert am: 06.12.2023

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Synonym(e)

Acquired reactive perforating collagenosis; Acquired reactive perforating dermatosis; akquirierte reaktive perforierende Dermatose; Collagenoma perforans verruciformis; Familiäre reaktive perforierende Kollagenose; Kollagenose familiäre reaktive perforierende; Perforierende Kollagenose; Reactive perforating collagenosis; Reaktive perforierende Kollagenose; Reaktiv perforierende Dermatose

Erstbeschreiber

Laugier und Woringer 1963; Mehregan et al. 1967

Definition

Seltene chronische Hauterkrankung, die durch eine transepidermale Elimination von Kollagen und/oder Elastin durch die Haut gekennzeichnet ist. In der bei Erwachsenen auftretenden erworbenen (acquired collagenosis) Form ist sie häufig mit Diabetes mellitus und/oder chronisch terminaler Niereninsuffizienz assoziiert. 

Grundsätzlich zu unterscheiden sind 2 klinische Krankheitsbilder:

  • Die sehr viel häufigere erworbene reaktive Kollagenose des Erwachsenen, die v.a. bei Diabetikern, niereninsuffizienten Patienten auftritt (Inzidenzen bis 11% sind beschrieben). Die erworbene reaktive Kollagenose wurde auch bei Pat. mit akuter myeloischer Leukämie beschrieben sowie nach Therapie mit Sorafenib.
  • Die bereits  bei Kindern auftretende, sehr seltene familiäre (primär als reaktive perforierende Kollagenose beschriebene), fokale Bindegewebsdegeneration mit transepithelialer Ausschleusung der Kollagenfasern. Es ist anzunehmen, dass diese Genodermatose mit der von Kyrle beschriebenen "Hyperkeratosis follicularis et parafollicularis in cutem penetrans" identisch ist.   

Ätiopathogenese

1) Genodermatose mit ungeklärter Ätiopathogenese.

2) Erworben bei Grunderkrankungen wie einer chronischen terminalen Niereninsuffizienz oder einem Diabetes mellitus vor. In Einzelfällen wurde die Assoziation mit Malignomen beschrieben - Prostatakarzinom, chronisch lymphatische Leukämie - (Huseynova L et al. 2020)

3) Medikamentös induziert (z.B. durch Sorafenib - Vega Díez D et al. 2020)

Auch bei Skabies und Zoster wurde das Krankheitsbild beschrieben, wobei die Auslösung der Erkrankung bei diesen Fällen eher reaktiv als "Köbner-Phänomen" bei entsprechender Disposition zu bewerten ist bzw. als isotope Reaktion. 

Bemerkung: wahrscheinlich kommt es infolge mechanischer oder entzündlicher Irritation bei rezeptiver Haut zu fokaler Schädigung des kollagenen Bindegewebes der Haut (durch Kratzen kann eine RPK experimentell ausgelöst werden - Köbner-Phänomen), das schließlich transepidermal ausgeschleust wird.

Es spielen die proteolytischen Enzyme wie Matrix-Metalloproteasen oder Serinproteasen sowie Modifikationen von Zuckerseitenketten an extrazellulären Matrix-Proteinen, wie Kollagen I und III eine wichtige Rolle.

Manifestation

Bei der klassischen reaktiv perforierenden Kollagenose liegt das mittlere Erkrankungsalter bei 50-60 Jahren. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer liegt bei 8 Monaten.   

Lokalisation

Vor allem Streckseiten der Extremitäten und am Rumpf. Das Gesicht, Handteller und Fußsohlen bleiben ebenso wie die Schleimhäute frei von Erscheinungen.

Klinisches Bild

Es besteht mäßiger bis deutlicher (nicht-histaminerger) Juckreiz.

Klinisch finden sich meist symmetrisch verteilte, wenige bis zahlreiche, disseminierte oder linear gruppierte ( Köbner-Phänomen), initial etwa 0,2 cm große, in der Folge langsam zu 1,0 -2,0 cm Größe anwachsende, rote, feste Papeln oder Plaques mit zentraler Ulzeration und hartem, fest haftendem keratotischem Pfropf.

Typisch ist der Nachweis einer zentralen krustigen Defektbildung bereits bei initialen Papeln. Nach dessen Ablösung findet sich ein ulzerierter Krater, der nach 2-4 Wochen, spontan unter Hyperpigmentierung narbig abheilt.

 Bemerkung: obwohl eine seltene Erkrankung ist das klinische Bild einzigartig und damit unverwechselbar, sodass die Diagnose bei Kenntnis  des Krankheitsbildes relativ einfach zu stellen ist  

Histologie

Hyperplastische Epidermis mit zentraler schüsselförmiger Exulzeration. In dem hier gelagerten Material finden sich Hornmassen, Granulationsgewebe mit ausgelösten, basophilen,  kollagenen  Faserbündel (EVG-Färbung). In der darunterliegenden Dermis kommt ein  unspezifisches gemischtes enzündliches Infiltrat zur Darstellung.

Differentialdiagnose

Prurigo simplex subacuta (wichtigste Differenzialdiagnose); keine ursächliche Grunderkrankung. Eminent starker Juckreiz der zerkratzten Papeln.

Prurigo nodularis (s.u. Prurigo chronische)

Seltene Differenzialdiagnosen:

Therapie

Eine kausale Therapie ist ansonsten nicht bekannt. Bei den erworbenen Formen Behandlung der Grunderkrankung Versuch mit PUVA-Therapie oder externem Retinoid.

Symptomatisch ist der Einsatz hochpotenter Kortikoidexterna (auch großflächig), der sich nach eigenen Erfahrungen und nach Erfahrungen einiger Autoren bewährt hat. Das Unterspritzen mit Depotsteroiden alle 3 Wochen stellt dazu eine gute Alternative insb. an dem Eincremen schlecht zugänglichen Stellen am Rücken dar. 

Alternativ: Gute Erfahrungen wurden mit systemisch verabreichtem Allopurinol (100 mg/Tag/p.o.) gemacht. Der Wirkmechanismus ist unklar. Möglicherweise wird über die Hemmung der Xanthinoxidase und über einen antioxidativen Effekt eine Hemmung der Vernetzung kollagener Fasern herbeigeführt.  

Alternativ: In letzter Zeit wurde mehre Publikationen bekannt, in denen gute klinsiche Ergebnisse mit Dupilumab beschrieben (Gil-Lianes J et al. 2022; Ying Y et al. 2022 )

Pflege: neben einer konsequenten Hautpflege ist es sinnvoll die Stellen mit einem hydrokolloiden Pflaster abzudecken (löst den zentralen Pfropf, fördert die Abheilung, verhindert das Kratzen). 

Verlauf/Prognose

Bei der akquirierten Form der perforierenden Kollagenose ist ein schubweiser Verlauf bekannt. Es besteht eine nicht unerhebliche Neigung zur Spontanheilung. Wichtig ist die Behandlung der Grunderkrankung (z.B. präzise Einstellung eines Diabetes mellitus).    

Hinweis(e)

Perforationen der Haut (perforating dermatoses) werden als Sekundärphänomen bei einer größeren Anzahl von Erkrankungen gefunden.

Beispielsweise bei: Calcinosis cutis, Fremdkörpergranulomen, Gichttophie, Chondrodermatitis nodularis chronica helicis, Granuloma anulare, Sarkoidose, Necrobiosis lipoidica, malignem Melanom, T-Zell-LymphomM. Paget, M.Kyrle u.a. 

    

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Fretzin DF, Beal DW, Jao W (1980) Light and ultrastructural study of reactive perforating collagenosis. Arch Dermatol 116: 1054
  2. Gil-Lianes J et al. (2022) Reactive perforating collagenosis successfully treated with dupilumab. Australas J Dermatol 63: 398-400.
  3. Haneke E (1991) Symptomatische reaktive perforierende Kollagenose. Z Hautkr 66: 725–728
  4. Huseynova L et al. (2020) Acquired reactive perforating collagenosis in association with prostate adenocarcinoma, chronic lymphocytic leukemia, and Graves' disease. An Bras Dermatol 95:336-339.
  5. Karpouzis A et al. (2010) Acquired reactive perforating collagenosis: current status. J Dermatol 37:585-592
  6. Karpouzis A et al. (2004) Acquired reactive perforating collagenosis associated with myelodysplastic syndrome evolving to acute myelogenous leukaemia. Australas J Dermatol 45:78-79
  7. Kruger K et al. (1999) Acquired reactive perforating dermatosis. Successful treatment with allopurinol in 2 cases. Hautarzt 50: 115-120
  8. Laugier P et al. (1963) Réflexions au sujet d `un collagénome perforant  verruciforme. Ann Dermatol Syph 90:466-493.
  9. Lotz C et al. (2014) Erfolgreiche Behandlung einer erworbenen reaktiv perforierenden Dermatose mit Allopurinol. Akt Dermatol 4: 84-87 
  10. Mehregan AM, Schwartz OD, Livingood CS (1967) Reactive perforating collagenosis. Arch Dermatol 96: 277
  11. Rapini RP et al.(1989) Acquired perforating dermatosis. Arch Dermatol 125: 1074 – 1078
  12. Theodoridis A et al. (2013) Malignant atrophic papulosis (Köhlmeier-Degos disease) - a review. Orphanet J Rare Dis 8:10.
  13. Vega Díez D et al. (2020) Reactive perforating collagenosis: a rare side effect associated with sorafenib. Rev Esp Enferm Dig 112:960-961.
  14. Weiss SC (2003) Cutaneous mucormycosis secondary to acquired reactive perforating collagenosis. Cutis 72: 119-123
  15. Ying Y et al. (2022) Dupilumab may be an alternative option in the treatment of acquired reactive perforating collagenosis combined with AD. Immun Inflamm Dis 10: e574.

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