CVID D83.0, D83.1, D83.2 , D83.8, D83.9

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 25.09.2023

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Synonym(e)

Common Variable Immunodeficiency; CVID; Immundefektsyndrom; Immundefektsyndrom variables; Immundefekt variabler primärer; Immundefizienz common variabae, Mutation in CD19; Immundefizienz variable, Mutation in CD19; Mutation in CD20; Variables Immundefektsyndrom; Variables Immundefizienzsyndrom

Definition

Die Krankheitsbezeichnung  CVID "Common Variable Immunodeficiency"  bezieht sich auf eine Gruppe von Erkrankungen aus dem Formenkreis der "primären Immundefektkrankheiten (PID)". CVID ist gekennzeichnet durch einen mehr oder weniger ausgeprägten Mangel der drei Antikörperklassen IgG, IgA und IgM . Der Antikörpermangel führt zu wiederkehrenden und oft schweren Infektionen , die vor allem die Ohren, die Nebenhöhlen, die Atemwege und die Haut betreffen. In der Mehrzahl der Fälle wird die Diagnose erst im dritten bis vierten Lebensjahrzehnt gestellt. Durch schwere und wiederholte Infektionen kann es zu bleibenden Schäden an den Atemwegen (Bronchiektasien) kommen. 

Vorkommen/Epidemiologie

Die Prävalenz des variablen Immundefektsyndroms wird  auf 1:25.000 Personen geschätzt (Angaben variieren zwischen 1:10.000 und 1:100.000).

Ätiopathogenese

Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Es handelt es sich nicht um eine Entität sondern um eine heterogene Gruppe verschiedener Krankheiten.

Die Mutationen in den 4 Genen ICOS, LRBA, BAFF-R und TNFRSF13B (kodiert TACI) werden zusammen mit 10-15 % der CVID-Fälle in Verbindung gebracht.

Weitere Mutationen betreffen die kostimulatorischen Moleküle der B Zellreihe: CD19 (CVID3), CD81 (CVID6), CD20 (CVID5).  


 

Manifestation

Bei der Altersverteilung zum Zeitpunkt der Diagnosestellung gibt es zwei „Gipfel“: Die frühe Form wird meist im Kleinkindalter festgestellt, die späte Form im jungen Erwachsenenalter. w:m = 1:1

Klinisches Bild

Im Gegensatz zu vielen anderen "primären Immunmangelsyndromen" wird eine CVID häufig erst im Erwachsenenalter, mehrheitlich zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr diagnostiziert mit einer typischen Latenz zwischen Erstmanifestation und Erstdiagnose von etwa 4 Jahren.

Die betroffenen Patienten leiden meist an einer Häufung von bakteriellen Infekten v.a. der Atemwege.  Weiterhin: Störungen des Magen-Darm-Trakts (Durchfall etwa 1/3 der Patienten, Malabsorption),  chronische Atemwegserkrankungen (Bronchiektasien), Veränderungen lymphatischer Gewebe  (Hepato-Splenomegalie), Thymome und maligne Lymphome).

Die klassischen Frühwarnsymptome der CVID wurden unter dem Akronym “ELVIS” zusammengefasst. Sie gelten auch für erworbene Immunmangelsyndrome (s.u. HIV-Infektion):

  • Erreger: Infektionen  durch opportunistische Keime (z.B. Pneumocystis spp, s. opportunistische Infektionen)
  • Lokalisation: Atypische Lokalisation von Infektionsherden (z.B. Hirnabszess durch Aspergillus spp.)
  • Verlauf: Ungewöhnlich schwere oder ungewöhnlich rezidivierende Infektionen.
  • Intensität: Ungewöhnlich schwer verlaufende Infektionen (z.B. schwere therapieresistente Pyodermie, ungewöhnliche Cytomegalie- oder Zoster-Infektion der Haut)
  • Summe der Infektionen: Für Kleinkinder gilt > 8 Minorinfektionen/Jahr, bei Erwachsenen gilt >3 länger als 4 Wochen sich hinziehende bakterielle Infektionen.  

Weiterhin werden Autoimmunphänomene beobachtet wie: reaktive Arthritiden, Immunthrombozytopenie (ca. 20% der Pat.), autoimmunhämolytische Anämie, perniziöse Anämie (ca. 10% der Pat.)

Die Hauterscheinungen sind vielgestaltig und lassen sich nicht einer bestimmten Gruppe zuordnen:

  • Im Vordergund stehen „atypisch“ verlaufende Infekte (s.a. ELVIS), die eine gestörte Immunsituation vermuten lassen.  
  • Regelmäßig beobachtet werden meist generalisierte, nicht-infektiöse Granulome (Sarkoidose-artige) die sich in der Haut aber auch in anderen Organen manifestieren können, so in Lunge, Leber, Milz und Auge (Bindehäute). Diese können bereits vor der Diagnosestellung des CVID auftreten (Ma Chia-Man 2018). Meist  verhalten sich diese Granulome harmlos mit einer hohen Spontanremissionsquote. Nur selten nehmen sie einen gewebezerstörenden  Verlauf und sind dann behanldungsbedürftig (systemische Corticosteroide, Immunglobuline, Mycophenolat, Cyclosporin A, Etanercept u.a.)   
  • Weiterhin werden beobachtet:

 

Labor

Serumelektrophorese  mit Verminderung der Gamma-Globulin-Fraktion.  Weiterhin ist eine quantitative Bestimmung der Immunglobuline durchzuführen: IgG < 3 g/l. IgA und IgM ebenfalls häufig vermindert.

Diagnose

Zunächst findet eine Bestimmung der Antikörper IgG, IgA und IgM im Blut statt. Ergänzend wird geprüft, ob bei Impfungen Antikörper gebildet werden (Impfantikörper). Um eine eindeutige Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen wie beispielsweise der Agammaglobulinämie vornehmen zu können, wird außerdem die Anzahl und die Funktion der B-und T-Zellen im Blut bestimmt.

Differentialdiagnose

Alle erworbenen Immunmangelsyndrome können zu analogen "reaktiven" Veränderungen an der Haut führen. Insofern sind die beschriebenen Hautveränderungen für eine CVID nicht beweisend, sondern sind als klinische Leitsymptome der allg. Immundefizienz zu betrachten (s.a. Immundefekte).     

Differenzialdiagnostisch auszuschließen  sind:

Komplikation(en)

CVID geht bei etwa der Hälfte der Patienten mit Autoimmunerkrankungen einher. Diese sind durch Leuopenien, Thrombopenien,  Anämien oder Arthritiden sowie endokrine Störungen gekennzeichnet. Etwa 20% der CVID-Patienten erkranken komplikativ an einer interstitiellen Lungenerkrankung, die als granulomatöse, lymphozytäre interstitielle Lungenerkrnankung (GLILD) bezeichnet wird. Granulomatöse Veränderungen werden auch in anderen Organen wie den Lymphknoten, der Leber, der Haut gefunden (Cha Chia-Man et al. 2018). Weiterhin werden gastrointestinale Probleme wie chronischer Durchfall, Gewichtsverlust, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen beobachtet.

Therapie

Eine kausale Therapie ist nicht möglich. Regelmäßige intravenöse Gabe (alle 2–6 Wochen 200 bis 600 mg/KG) von IVIG. Bei subkutaner Applikation werden 0,1g/kg KG wöchentlich verabreicht. Ziel: IgG im Serum > 5 g/l.

Weiterhin: Zielgerichtete Behandlung der bakteriellen Infektionen mit Antibiotika. Cave: Dosierungen der Antibiotika deutlich höher; Applikationsdauer länger als normal.

Die granulomatösen Veränderungen der Haut bilden sich in der Regel spontan zurück. Sie sind infolgedessen nicht besonders zu behandeln.

Prophylaxe

Beachtung allgemeiner hygienischer  Maßnahmen mit regelmäßiger Händedesinfektion, sorgfältiger Zahnpflege, Einsatz einer frühen Lokaltherapie bei V.a. Infekte der oberen Atemwege.

Hinweis(e)

CVID ist auch unter den Bezeichnungen Hypogammaglobulinämie, Agammaglobulinämie im Erwachsenenalter, Hypogammaglobulinämie im Spätstadium und erworbene Agammaglobulinämie bekannt.

Cave: Lebendimpfungen sind kontraindiziert. Unter Immunglobulin-Substitution besteht ein guter Passivschutz gegen Tetanus und Diphtherie.

Literatur
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  1. Barouti N et al. (2013) Successful treatment of ulcerative and diabeticorum necrobiosis lipoidica with intravenous immunoglobulin in a patient with common variable immunodeficiency. JAMA Dermatol 149:879-881
  2. Bergler-Czop B et al. (2013)  Pyoderma gangrenosum in a patient with common variable primary immunodeficiency. Postepy Dermatol Allergol 30:188-191
  3. Boursiquot JN et al. (2013) DEFI study group. Granulomatous disease in CVID: retrospective analysis of clinical characteristics and treatment efficacy in a cohort of 59 patients. J Clin Immunol 33:84-95
  4. Cha Chia-Man et al. (2018) Kutane Granulome bei einem Patienten mit variablem Immundefekt.J Dtsch Dermatol Ges 16: 216-218
  5. Franxman TJ et al. (2014)  Infliximab for treatment of granulomatous disease in patients with common variable immunodeficiency. J Clin Immunol 34:820-827
  6. Datta R et al. (2014)  Association of skin necrosis with subcutaneous immunoglobulin therapy. Ann Allergy Asthma Immunol 113:232-233
  7. Matoso A et al. (2014) Squamous neoplasia of the scrotum: a series of 29 cases. Am J Surg Pathol 38:973-981
  8. Nanda A et al. (2014) Noninfectious cutaneous granulomas in primary immunodeficiency disorders: report from a national registry. Am J Dermatopathol 36:832-837
  9. Sahana M et al. (2012) Silvery grey hair: clue to diagnose immunodeficiency. Int J Trichology 4:83-85
  10. Sillevis Smitt JH et al. (2013) Cutaneous manifestations of primary immunodeficiency. Curr Opin Pediatr 25:492-197

 

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