Fischallergie L27.2

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 18.12.2018

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Synonym(e)

Cyp c 1; Gad c 1; Sal s 1; Th a 2; Thu a 1; Thu a 3

Definition

Typ I- Nahrungsmittelallergie gegen unterschiedliche Fischallergene. Klinisch wichtig ist die Unterscheidung zu einer sog. "Fischvergiftung", einer Toxin-induzierten Reaktion. Nach Hühnereiweiß und Rohgemüse ist Fisch die wichtigste Ursache von Nahrungsmittelallergien (Sensibilisierung gegen Parvalbumin).

Sensibilisierungen gegen Fischprodukte spielen ein zunehmende Rolle als Berufserkrankung in der fischverarbeitenden Industrie.  

Einteilung

  • Einteilung verschiedener klinisch relevanter Fischarten: Europäische Süßwasserfische (die Fauna der europäischen Süßwasserfische umfasst über 500 Arten aus über 13 Familien):
    • Ährenfischartige (Atheriniformes)
    • Aalartige (Anguilliformes)
    • Barschartige (Perciformes)
    • Karpfenartige (Cypriniformes)
    • Dorschartige (Gladiformes)
    • Hechtartige (Esociformes)
    • Heringsartige (Clupeiformes)
    • Meeräschenartige (Mugiliformes)
    • Seenadelartige (Syngnathiformes)
    • Stichlingsartige (Gasterosteiformes)
    • Störartige (Acipenseriformes)
    • Panzerwangen (Scorpaeniformes)
    • Plattfische (Pleuonectiformes)
  • Meerwasserfische:
    • Butte (Bothidae)
    • Dorschartige (Gladiformes)
    • Fächer- und Speerfische (Istiophoridae)
    • Fingerfische (Polynemidae)
    • Haarschwänze (Trichiuridae)
    • Heringsartige (Clupeiformes)
    • Markelen und Thunfische (Scombridae)
    • Medusenfische (Stromateidae)
    • Plattfische (Pleuronectiformes)
    • Schwertfische (Xiphiidae)
    • Sardellen/Anchovis (Engraulidae)
    • Scheinbutte (Paralichthyidae)
    • Schollen (Pleuronectidae)
    • Steinbutte (Scophthalmidae)
    • Zungen (Soleidae).

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Vorkommen/Epidemiologie

Häufiger werden Fischeiweißallergien in Ländern mit hohem Fischkonsum wie Skandinavien beobachtet. In Norwegen wurde eine Inzidenz von 0,1% ermittelt. 3% der finnischen Kinder leiden an einer Fischallergie. Die Prävalenz der Fischallergie verringert sich mit zunehmenden Alter, allerdings nicht annähernd in gleichem Maße wie die Milchallergie.

Ätiopathogenese

Fische enthalten eine große Vielzahl an Proteinen; nur wenige sind als Allergene definiert.

Kabeljau: Majorallergen ist Gad c1, ein ein 12 kDa-Protein (Parvalbumin), das beim Kabeljau gefunden und als erstes Fisch-Allergen isoliert wurde. Bei Parvalbuminen handelt es sich um eine Familie von Calcium-bindenden Proteinen der Muskelzelle. Etwa 70% der Fischallergiker sind gegen Parvalbumin sensibilisiert. Die ähnliche Aminosäuresequenz von Gad c 1 und Parvalbuminen bei anderen Fischarten führt zu einem hohen Anteil von Kreuzsensibilisierungen.

Das Hühnerfleisch-Fisch-Syndrom beruht auf einer Kreuzreaktivität zwischen Parvalbumin, Aldolase und Enolase in Fisch und Hühnerfleisch (Massalme EG et al. 2017). 

Weitere bisher bekannte Fischallergene (Identifizierte Einzelallergene der versch. Fischarten gemäß IUIS Allergen Nomenclature Sub-Committee):

Heringartige Fische

  • Hering (Clupea harengus Atlantic herring)
    • Clu h 1 Beta-Parvalbumin: s.u. Parvalbumin; Bestimmung potenziell sinnvoll als Repräsentant für eine ganze Fischfamilie
  • Pazifische Sardine (Sardinops sagax, Pacific pilchard)

    • Sar sa 1 Beta-parvalbumin

Karpfenartige Fische

  • Karpfen (Cyprinus carpio, Common carp) 
    • Cyp c 1 Beta-Parvalbumin: Markerallergen für eine gesamte Fischfamilie

Dorschartige Fische

  • Ostsee-Dorsch (Gadus callarias, Baltic cod)
    • Gad c 1 Beta-Parvalbumin
  • Kabeljau (Gadus morhua, Atlantic cod)
    •  Gad m 1 Beta-Parvalbumin: s.u. Parvalbumin
    •  Gad m 2 Beta-Enolase: 63% der Sensibilisierten reagieren auf die Beta-Enolase des Kabeljaus. Überweigend reagieren diese Patienten nicht auf Parvalbumin.
    •  Gad m 3 Aldolase A: 50% der Sensibilisierten reagieren auf die Aldolase des Kabeljaus

Barschartige Fische

  • Weißkehlbarsch (Oreochromis mossambicus, Mozambique tilapia/Weißkehlbarsch aus der Familie der Buntbarsche)
    • Ore m 4 Tropomyosin: Datenlage ist noch ungklärt. Nachgewiesen sind Kreuzreaktionen gegen das Tropomyosin von Garnelen.
  • Goldbarsch (Sebastes marinus, Ocean perch, redfish, snapper)
    • Seb m 1 Beta-parvalbumin
  • Thunfisch (Thunnus albacares, Yellowfin tuna)
    • Thu a 1 Beta-parvalbumin
    • Thu a 2 Beta-enolase
    • Thu a 3 Aldolase A
  • Schwertfisch (Xiphias gladius, Swordfish)
    • Xip g 1 Beta-parvalbumin

Lachsartige Fische

  • Keta-Lachs (Oncorhynchus keta, Chum salmon)
  • Atlantischer Lachs (Salmo salar, Atlantic salmon/)
    • Sal s 1 Beta-parvalbumin
    • Sal s 2 Beta-Enolase
    • Sal s 3 Aldolase A
  • Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss, Rainbow trout)
    • Onc m 1 Beta-Parvalbumin

Plattfische

  • Flügelbutt (Lepidorhombus whiffiagonis, Megrim, Whiff, Gallo, Flügelbutt aus der Familie der Steinbutte)
    • Lep w 1 Beta-Parvalbumin

Sonstige Fischarten

  • Barramundi (Lates calcarifer (Barramundi/Raubfisch, aus der Familie der Riesenbarsche)
    • Lat c 1 Beta-Parvalbumin

Bei einer Karpfenallergie kreuzreagieren die Betroffenen auch auf andere Fische (z.B. Kabeljau, Barsch, Lachs). Hier empfiehlt es sich generell auf Fischkonsum zu verzichten. Einzelne hitzelabile Proteine (40-85 kDa) wurden bei der Seezunge, Seehecht und Seeteufel gefunden).

Klinisches Bild

Therapie

S.u. Nahrungsmittelallergie. Eine spezifische Immuntherapie zur Behandlung von Fischallergien existiert nicht, da das Risko anaphylaktischer Nebenwirkungen nicht einzuschätzbar hoch ist. Den Betroffenen wird eine strikte Karenz empfohlen. Vorsicht ist bei Produkten wie Paella, Worcestersauce geboten (können Fischgelatine enthalten).     

Verlauf/Prognose

Im Gegensatz zu Kuhmilchallergie und Hühnereiweißallergie muss mit einem lebenslangen Verlauf der Allergie gerechnet werden.

Hinweis(e)

  • Der Verzehr von Fisch in Deutschland steigt in den letzten Jahren stetig an. Die beliebtesten Fischsorten in Deutschland sind Hering, Scholle, Lachs, Seelachs, Rotbarsch, Makrele, Forelle und Thunfisch. Fisch gewinnt zunehmend als Eiweißquelle und v.a. auch wegen seines Gehaltes an ungesättigten Fettsäuren an Bedeutung.
  • Die Häufigkeit einer Allergieauslösung hängt auch von lokalen Essgewohnheiten ab. In Norwegen dominierenKabeljau-Allergien, in Spanien Hecht- und Steinbutt-Allergien.
  • Bei etwa 40% der Allergiker liegt eine isolierte Allergie gegen eine bestimmte Fischart vor; Das Risiko des Fisch-Allergikers gegen eine weitere Art zu reagieren, liegt bei 50% (!).
  • Monoallergien beruhen wahrscheinlich auf speziesspezifischen Allergenen, die bisher unzureichend charakterisiert sind.
  • Prinzipiell gilt, dass Süßwasserfische wie z.B. Barsch, Forelle, Hecht, Karpfen, Schleie oder Zander eher gut verträglich sind. Salzwasserfische hingegen (z.B. Haifisch, Heilbutt, Kabeljau, Rotbarsch, Scholle, Seelachs, Thunfisch) lösen häufiger allergische Reaktionen aus.
  • Fischproteine haben eine starke allergene Potenz. Bereits geringe Mengen (evtl. die Inhalation von Dämpfen gekochten oder Stäube getrockneten Fisches können anaphylaktische Reaktionen auslösen). Die meisten Allergene sind hitzestabil (gekochter oder gebratener Fisch wird ebenfalls nicht vertragen). Fischallergene können als "verstecktes Allergen" bei Schweinen und Geflügel auftreten die mit Fischmehl gefüttert wurden. Selbst über die Muttermilch können beim sensibilisierten Säugling allergische Reaktionen ausgelöst werden. Viele Fischallergiker erwerben zusätzlich eine Allergie gegen Meeresfrüchte (keine Kreuzreaktionen!).
  • Relativ häufig werden auch berufsbedingte Allergien in der fischverarbeitenden Industrie beobachtet. So traten in einem Lachs-verarbeitenden Betrieb bei 11.9% der Beschäftigten ein auf einer Fischallergie beruhendes Asthma auf. Hering wurde als der Auslöser einer berufsbedingten allergischen Typ IV-Kontaktdermatitis mit Kreuzreaktivität zu anderen Fischen aus der Ordnung der Clupeiformes (Sardine, Sardelle) nachgewiesen.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Ferran et al. (2006) Flushing associated with scombroid fish poisoning. Dermatol Online J 12: 15
  2. Klein-Tebbe et al (2002) In-vitro-Diagnostik von Nahrungsmittelallergie. Allergologie 10: 333-339
  3. Kobayashi et al. (2006) Comparison of allergenicity and allergens between fish white and darf muscles. Allergy 61: 357-363
  4. Kühn A  et al.  (2015) Extrakt-basierte und molekulare Diagnostik bei Fischallergie. In: Kleine-Tebbe J et al. Hrsg Molekulare Allergie-Diagnostik. Springer Verlag Berlin-Heidelberg S 292-302.
  5. Massalme EG et al. (2017) Spielarten der Nahrungsmitteallergie gegenüber Geflügel. Allergo J Int 26: 57
  6. Porcel et al. (2001) Contact urticaria caused by heat-sensitive raw fisch allergens. Contact Dermatitis 45: 139-142
  7. Schaper et al. (2002) Fischvergiftung. Dtsch Ärzteblatt 99:1151-1158
  8. Van Do et al. (2005) Allergy to fisch parvalbumins: studies on the cross-reactivity of allergens from 9 commonly consumed fish. J Allergy Clin Immunol 116: 1314-1320
  9. Van Do et al. (1999) Expression and analysis of recombinant salmon parvalbumin, the major allergen in Atlantic Salmon (Salmo salar). Scandinavian J of Immunol 50: 619-625
  10. Worm M et al. (2016) Leitlinie zum Mangement IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien. Allergologie 39: 302-344

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