Familiäres mediterranes Fieber R50.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 10.12.2023

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Synonym(e)

Familial mediterranean fever; Familial Mediterranean fever; Familiäres Mittelmeerfieber; FMF; Hereditäre Polyserositis; Mittelmeerfieber familiäres; Mittelmeerfieber, familiäres; OMIM #249100

Erstbeschreiber

Osler, 1895; Janeway u. Mosenthal, 1908

Definition

Hereditäres Fiebersyndrom mit periodischem Fieber, anfallsartiger Serositis (Bauchhöhle, Pleura), Arthritis, Orchitis und ggf. flüchtigem, erysipelartigem Exanthem. 

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweit sind mehr als 10.000 Patienten betroffen. Die Erkrankung tritt hauptsächlich im Mittelmeerraum auf (z.B. armenische, türkische, arabische und jüdische Bevölkerung). Aufgrund der Immigration ist dieses Krankheitsbild jedoch differentialdiagnostisch auch in westlichen Ländern von Bedeutung.

Je nach Studie und Kollektiv beträgt die Häufigkeit der heterozygoten Genträger 1:26 bis 1:52. Die Erkrankung manifestiert sich, wenn ein homozygoter (beide Allele tragen dieselbe Mutation) bzw. compound heterozygoter (beide Allele tragen unterschiedliche Mutationen) Status vorliegt. Dies bedeutet für heterozygote Eltern, dass das Risiko, ein homozygotes bzw. compound heterozygotes (erkranktes) Kind zu zeugen, 25% beträgt.

Ätiopathogenese

Autosomal-rezessiv vererbte Mutationen des MEFV-Gens (Mediterranean fever Gen; Genlokus: 16p13.3). Die hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen der durch dieses Gen kodierten Proteins, dem Pyrin (Kryopyrin) oder auch Marenostrin (lat.: mare nostrum für Mittelmeer) genannt, führt zur Auslösung einer systemischen Entzündungsreaktion. Ursächlich ist die unkontrollierte Freisetzung von Interleukin-1beta und Interleukin-18.

Bisher wurden >100 krankheitsassoziierte Mutationen, 89 Mutationen mit unbekannter Auswirkung sowie 33 Mutationen ohne einen assoziierten Phänotypen beschrieben. Eine Cluster an Mutationen findet sich in den Exonen 2 und 10. Die relevantesten Mutationen wie M694V, M6941, M6801 und V726A befinden sich auf Exon 10 des MEFV-Gens. Es wurde anfänglich angenommen, dass das FMF einem klassischen autosomal rezessiven Erbgang folgt. Auf der einen Seite zeigte sich aber rasch, dass bis zu 20% aller Patienten mit einem klinisch eindeutig definierten FMF nur eine oder keine Mutation im MEFV-Gen aufweisen, so dass weitere genetische Veränderung in regulatorischen Elementen oder anderen Genabschnitten postuliert werden müssen.

Auf der anderen Seite konnte schon früh gezeigt werden, dass viele Menschen mit zwei Mutationen im MEFV niemals erkranken (Typ-III-FMF).

Hiervon abzugrenzen sind Menschen, die nie klinische Symptome eines FMF entwickeln, aber aufgrund zweier Mutationen im MEFV-Gen eine Amyloidose entwickeln (Typ II FMF). Die Angaben zur Prävalenz dieses Phänotyps variieren stark.

Manifestation

In den meisten Fällen bereits in der Kindheit und Jugend auftretend; bei etwa 90% der Patienten vor dem 20. LJ.

Klinisches Bild

Rezidivierende Fieberschübe (bei 96% der Pat.) unregelmäßiger Periodizität, meist begleitet von akuter Peritonitis (91%), häufig auch Pleuritis (57%), Arthritis oder Sacroiliitis (45%), sowie einem flüchtigen, erysipelartigen Exanthem aus maximal 10-15 cm im Durchmesser betragenden, rot-lividen, zeitweise juckenden Plaques, das ein- oder beidseitig v.a. unterhalb des Knies auftritt (13%). 2% der Patienten entwickeln eine Amyloidose.

Weitere dermatologische Phänomene schließen diffuse palmo-plantare Erytheme, disseminierte purpurische Papeln im Gesicht am Rumpf und an den Extremitäten. Nicht selten ist eine Purpura Schönlein-Henoch assoziiert (IgA-Vaskulitis), eine Polyarteriitis nodosa sowie eine Behcet-Aphthose.      

  • Phänotyp 1: Beginn mit Fieberschüben.
  • Phänotyp 2: Amyloidose als Erstmanifestation.

Labor

BSG erhöht, selten Leukozytose. Erhöhtes Amyloid A im Serum wird erst bei manifester Amyloidose beobachtet, die eine Komplikation des FMFs darstellt und nicht der primären Diagnose dient. Regelmäßige (Sammel-!) Urinuntersuchungen sollten daher ein fester Bestandteil der Patientenbetreuung sein.

Histologie

Die Erysipel-artigen Plaques sind durch ein leichtes bis mäßiges Ödem, durch ein eher schütteres Infiltgrat aus Lymphozyten, Neutrophilen, Histioyzten sowie Kerntrümmern gekennzeichnet. Eine leichte Akanthose mit Hyperkeratose kann begleitend auftreten. 

    

Direkte Immunfluoreszenz

Ablgerungen von IgM, Fibrinogen und C3 in den Kapillaren der papillären Dermis. 

Diagnose

Klinik (Hauptkriterien: Peritonitis, Pleuritis, Monarthritis, Fieber, Hauterscheinungen) ist diagnostisch; im Schub ausgeprägte Entzündungszeichen. Die Diagnosesicherung durch die molekulargenetische Analyse des MEFV-Gens, das auf dem kurzen Arm des Chromosoms 16 lokalisiert ist.

Differentialdiagnose

Abgrenzung von anderen Formen des periodischen Fiebers wie PFAPA-Syndrom; Muckle-Wells-Syndrom; Tumor-Necrosis-Faktor-Rezeptor-assoziiertes periodisches Syndrom (TRAPS); Hyper-IgD-Syndrom (HID); Familiäre Kälteurtikaria. Ausschluss einer Urtikaria oder einer Urtikariavaskulitis.

Komplikation(en)

Folgeschäden wie z.B. Nierenversagen infolge systemischer Amyloidose.

Infertilität bei etwa 30% der erkrankten Frauen. 20-30% auftretender Schwangerschaften bei Patientinnen enden mit vorzeitigen Abort.

Nicht gesichert ist eine Assoziation des familiären Mittelmeerfiebers zu folgenden Erkrankungen, über die gehäuft berichtet wurde (Delplanque M et al. 2022):

Hidradenitis suppurativa: MEFV-Mutationen kommen bei Hidradnitis suppurativa häufiger als in der Normalbevölkerung. Sie stehen mit dem Schweregrad der Erkrankung in Verbindung sind jedoch auch bei vielen anderen entzündlichen Erkrankungen von prognostischer Bedeutung. So findet sich bei Patienten mit schwerer Hidradenitis suppurativa im Vergleich zur Normalbevölkerung eine erhöhte Rate an familiärem Mittelmeerfieber und heterozygoten Mutationen im Mittelmeerfieber-Gen (MEFV). Bei Patienten mit familiärem Mittelmeerfieber (FMF), kann die Hidradenitis suppurativa einen schweren Phänotyp und überlappende PAPASH-ähnliche Merkmale aufweisen (Vural S et al. 2017). Bemerkenswert ist, dass bei einigen Patienten mit Hidradenitis suppurativa und Pyoderma gangreanosum doppelte pathogene Mutationen in MEFV ohne klinische FMF und Promotorverlängerung in PSTPIP1 koexistierten (Vural S et al. 2018).

Therapie

Colchicin (z.B. Colchicum-Dispert) 0,03 ± 0,02 mg/kg KG/Tag in 2 ED p.o. bzw. bei Kindern unter 5 Jahren 0,07 mg/kg KG/Tag in 2 ED p.o. ist bei 70-90% der Pat. gut wirksam. Bei etwa 10% der Kinder lassen sich die Fieberschübe jedoch nicht durch Colchicin beeinflussen, wobei allerdings nicht selten eine mangelnde Compliance ursächlich ist. Lebenslange Colchicin-Einnahme führt zu einer günstigen Beeinflussung der Fieberschübe und verhindert ganz entscheidend Komplikationen.

Interleukin (IL)-1-Antagonisten sind die Behandlung der Wahl bei refraktären Fällen. Erfahrungen mit den IL-1-Antagonisten Anakinra und Canakinumab liegen mittlerweile bei meheren Tausend Colchicin-resistenter FMF-Patienten vor (Tufan A et al. 2020) .

Hinweis(e)

Der Einsatz von Next-Generation-Sequencing bei FMF hat viele neue Genvarianten aufgedeckt, deren klinische Bedeutung durch die Entwicklung funktioneller Tests und Biomarker geklärt werden könnte. Obwohl FMF klinisch als eine episodische Erkrankung gilt, die durch kurze Anfälle gekennzeichnet ist, konnten bei systematischen Studien mehrere damit assoziierte chronische Entzündungszustände nachgewiesen werden (Tufan A et al. 2020). 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Aldea A et al. (2004) A severe autosomal-dominant periodic inflammatory disorder with renal AA amyloidosis and colchicine resistance associated to the MEFV H478Y variant in a Spanish kindred: An unusual familial Mediterranean fever phenotype or another MEFV-associated periodic inflammatory disorder? Am J Med Genet 124A: 67-73
  2. Delplanque M et al. (2022) Is neutrophilic dermatosis a manifestation of familial Mediterranean fever? Scand J Rheumatol 51:42-49.
  3. Figueras-Nart I et al. (2019) Dermatologic and Dermatopathologic Features of Monogenic Autoinflammatory Diseases. Front Immunol 10:2448. 
  4. Gershoni-Baruch R et al. (2003) Prevalence and significance of mutations in the familial Mediterranean fever gene in Henoch-Schonlein purpura. J Pediatr 143: 658-661.
  5. Janeway TC, Mosenthal HO (1908) An unusual paroxysmal syndrome, probably allied to recurrent vomiting, with a study of the nitrogen metabolism. Trans Ass Am Phys 23: 504-518.
  6. Osler W (1895) On the visceral manifestations of erythema multiforme. Am J Med Sci 110: 629.
  7. Panossian A et al. (2003) Plasma nitric oxide level in familial Mediterranean fever and its modulations by Immuno-Guard. Nitric Oxide 9: 103-110.
  8. Sayarlioglu M et al. (2003) Colchicine-induced myopathy in a teenager with familial Mediterranean fever. Ann Pharmacother 37: 1821-1824.
  9. Timmann C et al. (2003) Familial Mediterranean fever with amyloidosis associated with novel exon 2 mutation (S1791) of the MEFV gene. Blood Cells Mol Dis 31: 320-323.
  10. Tufan A et al. (2020) Familial Mediterranean fever, from pathogenesis to treatment: a contemporary review. Turk J Med Sci 50(SI-2):1591-1610.

  11. Vural S et al. (2017) Familial Mediterranean fever patients with hidradenitis suppurativa. Int J Dermatol 56: 660-663.

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